„Vorurteile sind absoluter Blödsinn, denn sie stimmen nicht!“ Genau das sagt meine Mutter. Im nächsten Moment erzählt sie mir: „Du, die Nachbarin hat seit gestern ein neues schickes Auto. Sie hat bestimmt von ihrem Ex eine Menge Geld verlangt. Früher konnte sie sich das nicht leisten.“ Auf den ersten Blick erlebe ich Interesse an der Nachbarin. Auf den zweiten Blick erkenne ich eine klassische Unterstellung, eine bloße Vermutung und eine urteilende Einschätzung. Dieses „darüber sprechen“ wird zur Wirklichkeit gemacht. Die Folge davon ist, dass sich eine klassische VOR-Verurteil
ung ohne jegliche Beweise entwickelt. Und – Zack! – da haben wir unser Vorurteil.
Und jetzt kommt es: Würde ich genau die Worte meiner Mutter weitergeben, vervielfältige ich. Das kann in der Kaffeerunde, beim Pausengespräch oder mit einem Post bei Facebook geschehen. Das Gerücht wird somit verstärkt und für wahr angesehen. Andere erzählen und spekulieren weiter.
Übertragen auf die internationale Bühne entstehen dann solche Vorurteile wie
- Deutsche sind pünktlich und trinken Bier zum Frühstück
- Asiaten lächeln immer und essen rohen Fisch
- Franzosen trinken Wein und diskutieren viel
- Afrikaner kommen immer zu spät und haben viele Brüder
- arabische Frauen tragen Kopftücher
- Russen trinken Wodka und sind kalt
- Amerikaner können nur smalltalken und Hamburger essen.
Ihnen fällt bestimmt noch mehr dazu ein.
„Ein Korn Wahrheit steckt in jeder Einschätzung oder Beurteilung.“ Genau das würde wiederum meine Freundin sagen. Ob ein VOR-Urteil wahr oder eine Lüge ist, hängt von den überprüften Tatsachen ab.
Dazu habe ich drei Empfehlungen
- Vorurteile kontrollieren
Wenn Sie das nächste Mal ein Gerücht hören, dann glauben Sie nicht, sondern kontrollieren Sie. Nehmen Sie es nicht als das Nonplusultra an. Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil. Beispiel: Sie können den japanischen Touristen fragen, ob er immer lächelt. Erkunden Sie, ob ihr französischer Verkäufer tatsächlich dreimal täglich wie Medikamente Wein trinkt. Erforschen Sie bei den afrikanischen Nachbarn, wie er es mit der Pünktlichkeit hält. So erhalten Sie ein authentisches Urteil.
- Überprüfen Sie die Quelle des Vorurteils
Nicht jeder Fernsehbericht, Film, Zeitungsartikel, Blogtext kann für bare Münze genommen werden. Es schleichen sich Fehler in Beiträgen ein oder ein einseitiger Blick verhindert Klarheit und die umfassende Behandlung des Themas. Filme haben ein Drehbuch und entsprechen nicht den wahren Tatsachen. Ebenso können neidische Nachbarn oder unerfahrene Kollegen lediglich ihre Sichtweise von Situationen erzählen und darstellen.
- Vorsicht vor Verallgemeinerungen
Jawohl, wir hören ein spektakuläres Ereignis und erleben unter ähnlichen Umständen Gleiches und schon erzählen wir Gesehenes weiter und verallgemeinern dabei sehr gern. Kommt zweimal der afrikanische Kollege zu spät, so verspätet er sich „immer“ und natürlich ist klar, dass „alle Afrikaner“ genauso handeln.
Zwei Punkte:
- Vorurteile sind kein Blödsinn. Sie können auf eine Anzahl von Menschen zutreffen.
- Vorurteile können vollkommen falsch sein, wenn sie in einem anderen Zusammenhang wiedergegeben werden.
Entscheidend ist der sensible Umgang mit ihnen und den betreffenden Personen.
Ich bin Deutsche und mein „German-Breakfast“ besteht nicht aus Bier und Bratwurst. Mit der Pünktlichkeit halte ich es dem Anlass entsprechend, jedoch sind einige meiner deutschen Freunde sehr oft unpünktlich.
Achtsamer Umgang mit Vorurteilen – Die Busfahrt von München nach Berlin
Eine internationale Reisegesellschaft befand sich auf einer Reise von Berlin nach München. Der Bus stoppte wegen eines Motorschadens. Es qualmte und stank furchtbar im Bus. Der Fahrer forderte die Passagiere auf, den Bus zu verlassen und weiter zu Fuß zum nächsten Ort zu laufen. Nach fünfzehn Minuten wandte sich der Zweitfahrer an den Busfahrer und meldete: ”Keiner ist bereit zu laufen. Was sollen wir tun?“ Da unterbrach der Fahrer die Reparatur und ging selbst. Nach weiteren zehn Minuten liefen alle los.
„Wie haben Sie das denn bloß gemacht?“, fragte der Zweitfahrer erstaunt. „Ganz einfach, mein Lieber“, sagt der Busfahrer,
„den Engländern habe ich gesagt, es sei unsportlich, nicht zu laufen,
den Franzosen, es sei schick,
den Deutschen, dies sei ein Befehl,
den Japanern, es sei gut für die Potenz,
den Amerikanern, sie seien versichert,
und den Italienern, zu laufen sei verboten.“
Der Busfahrer zeigt interkulturelle Kompetenz, indem er Vorurteile nutzt, um Menschen für einen guten Zweck zu motivieren.
FAZIT: Vorurteile gab es immer und wird es immer geben. Sie können mit Bedacht berücksichtigt werden. Vorsicht, wenn eine Beurteilung verallgemeinert und danach vervielfältigt wird. Wir können vielen Menschen Unrecht tun und Gefühle verletzen.
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